Mich erreichte dieser Bericht von der Hessenmeisterschaft für Behinderte in der letzten Woche mit der Bitte um Veröffentlichung. Nun, es ist selbstverständlich und eine große Freude diese Zeilen auf Sixpockets.de präsentieren zu dürfen. Geschrieben wurde der Bericht von Torsten Meinken und ich war ziemlich beeindruckt von den Schilderungen und seinem Umgang mit der Behinderung. Meinen höchsten Respekt an alle Teilnehmer und ganz besonders an Torsten, danke das Du uns in sehr lockerer und lebensfroher Form zeigst, das es auch unter solch schweren Bedingungen möglich ist, Spaß am Pool Billard zu haben. Mich hat dieser Bericht sehr nachdenklich gemacht und viele Dinge erscheinen jetzt ein wenig anders 😉 vielen Dank dafür! Weiter unten gibt es eine kleine Bildergalerie, die mehr sagt als tausend Worte. Ich habe die Bilder bewusst unkommentiert gelassen, um nicht vom Eindruck abzulenken. Viel Spaß beim Lesen …
Das Einbein, das loszog, um Hessenmeister zu werden!
geschrieben von Torsten Meinken
Hallo,
ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Torsten, ich habe nur noch 1,5 Beine, und ich spiele in meiner Freizeit liebend gerne Billard.
Zugegeben, selbst als Zweibein war ich nicht wirklich gut, aber so mit ohne Bein ist es nicht gerade leichter. Na ja, für die Kreisliga reicht es gerade so und schließlich ist es mein Hobby und das soll primär ja nur erst einmal Spaß machen.
Und wenn man einer Minderheitengruppe angehört, dann ist das so mit Turnieren oder Vergleichen ja eine Sache. Ich habe schon versucht, mich bei der Lady‘s Tour einzukaufen, aber für die hatte ich immer noch ein Bein zu viel. Deutsche Meisterschaften gibt es nicht für uns normale Handicapler, da muss man schon mobil unterwegs sein und da kam der Ruf aus Hessen gerade recht: Der Stefan hat uns alle eingeladen, die mindestens 50 % in ihrem Ausweis stehen haben und sichtbar muss die Behinderung sein. Wir sollten bei den Poolsharks in Ortenberg den hessischen Meister ausspielen: Im 8- und im 9-Ball und für zwei Tage lohnt sich dann ja auch die Reise in die Wetterau.
Also packte ich frohen Mutes meine sieben Sachen und trat die lange Reise ran. Denn mal ganz ehrlich, wo kann man einfacher Meister werden, als bei irgendwelchen sich selbst bemitleidenden Individuen, die mit aller Macht versuchen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und eigentlich doch nur Billard spielen, weil sie bemitleidet werden wollen? Denen wollte ich mal zeigen, wie Billard wirklich geht !!!!!
Den Ersten, den ich dann traf, war der Maik. Beide Hände endeten kurz unterhalb der Schulter. „Sorry, wie will der denn ein Queue halten“, waren meine ersten Gedanken. Aber egal, ist ja nicht mein Problem. Werner begrüßte uns auch ganz höflich, außer einem hinkenden Bein und etwas undeutlicher Aussprache, schien er mir normal.
Den Nächsten, den ich traf, war der Veranstalter. Der Stefan. Der ging auch schlecht, aber nun gut, das mache ich ja auch. Und der Hansi (ich dachte, der hat einen Sprachfehler, aber es war dann doch schwäbisch, was der babbelte), der hatte nur einen Arm …. Und so ging es weiter, viele Menschen, viele verschiedene Behinderungen (Sehbehinderung mit nur 5 % Sehkraft. Und dann ohne Hund, ob das wohl klappt?), es versprach ein lustiges Wegschießen zu werden.
Und so machten wir uns dann an die Tische, 8-Ball spielen. Erste Gegnerin die Sylvia, die Gattin vom Hansi. Die sprach auch so komisch, aber tatsächlich hatte sie eine kaputte Hand. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich die anderen und konnte mich gar nicht mehr konzentrieren. Jeder Einzelne versuchte seine Behinderung so gut es ging, auszugleichen und was ich da so sah, kann ich gar nicht in Worte fassen, dafür braucht es Bilder, das muss man gesehen haben. Das war irre, das war Wahnsinn, das war unfassbar. Und in meinem Kopf ging er dahin, der Hessenmeistertitel.
Ich musste dann gegen Maik, den Mann mit den kurzen Händen spielen. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, ihn zu besiegen, aber was dieser Mann auf den Tisch zauberte, das war unbeschreiblich. Schaut Euch die Bilder an, mehr muss ich nicht sagen.
Das Gleiche gilt für den Werner, den Hansi, den Stefan, die Sylvia, den Chris, den Luxus-Norman, den Michael, den Alf, den Schalke und all den anderen. Selbst die zweibeinigen Profispieler der Sharks waren beeindruckt und haben sich in der freien Zeit die eine oder andere Lehrstunde abholen dürfen. Für mich jedenfalls war im Viertelfinale Schluss, gegen den Ausrichter darf man schon aus Anstand nicht gewinnen (in Wahrheit habe ich ja überhaupt keine Sonne gesehen). Aber ich war zufrieden und für den nächsten Tag hatte ich einen Plan, schließlich wollte ich ja Hessenmeister werden.
Also, ran an den Tisch und 9-Ball spielen. Diesmal waren wir 13, der Norman hatte noch den Weg zu uns gefunden. Eine doofe Idee, denn ER ist dann Hessenmeister geworden. Ich aber habe zurück gebissen, Sylvia, Maik, Werner und Hansi wurden meine Opfer und so reichte es letzten Endes zum dritten Platz und ich hatte den Pokal.
Was aber viel wichtiger ist, ich habe jede Menge tolle Menschen kennen gelernt. Menschen mit Humor, Wissen und Können. Menschen, vor denen ich den Hut ziehe. Menschen, die alle ein richtig dummes Schicksal hatten, aber die alle wieder da sind. Ich habe Hochachtung vor diesen Leistungen, die ich an diesem Wochenende erfahren durfte, und es macht mich stolz, dass mich Werner nun als einen, „der dazu gehört“, bezeichnet.
Liebe Poolerinnen, liebe Pooler, wenn ich sehe, wie ihr Euch über Nichtigkeiten aufregt, wie Ihr neidet, nicht gönnen könnt und den Tisch zum Schlachtfeld erklärt, ich kann Euch nur empfehlen, schaut Euch dieses Spektakel einmal an und überdenkt Euer kleingeistiges Verhalten. Am 6. und 7. Februar versammelt sich die Gemeinde in Ludwigsburg. Der Hansi ruft und wir werden folgen, denn solch ein Event lassen wir uns nicht entgehen.
Ich bin zwar kein Hessenmeister, aber ich habe einen Pokal. Was aber viel wichtiger ist: Ich habe ein Erlebnis gelebt, welches mir viel Kraft gibt und das ich nie vergessen werde. Dafür meinen Dank an alle, die dazu beigetragen haben.
Und mein Schlusswort geht an Hassan: Danke für die Fotos, Danke für’s Aufbauen, denn SPIELEN konnten sie alle, aber zum Aufbauen waren sie nicht fähig…
Schöner Bericht 🙂
Vor über 10 Jahren, hatte ich auch die Ehre mal mitspielen dürfen. Daher freue ich mich, dass es nicht auf „Rollstuhlfahrer“ beschränkt war.
Hallo Herbert,
Danke für Deinen Kommentar, und über Lob wird sich Torsten sicher freuen.
Schönen Gruß
Das Sixpockets.de Team
Hallo Herbert,
gerne würden wir Dich am 06.02.2016 zu den BW-Meisterschaften in Ludwigsburg begrüßen, wenn das für Dich erreichbar scheint.
Das Turnier lohnt sich auf jeden Fall !!!!
Liebe Grüße
Das Einbein